Animationen durch zeitabhängige mathematische Beschreibungen

Animationen (durch Trickfilmtechniken oder mithilfe des Computers erzeugte Filme) sind Sequenzen vieler einzelner Bilder (Frames), die sich von Bild zu Bild nur geringfügig ändern. Während einer Animation können sich prinzipiell alle Inhalte und Bildeigenschaften verändern:

  • Positionen, Sichtbarkeit und Formen von Objekten,
  • Eigenschaften von Lichtquellen und Objektoberflächen (Helligkeiten und Farben),
  • Position, Ziel sowie Öffnungswinkel der Kamera und somit die Sicht auf die Szene.

Um Computeranimationen zu erzeugen, müssen Bestimmungsgrößen (Koordinaten, Transformationen oder auch z.B. Farbwerte) zeitabhängig beschrieben werden.

Ausgangspunkt: Parameterdarstellungen von Geraden

Fasst man in Parameterdarstellungen von Geraden

bzw. in Koordinatenform

den Parameter t als Zeit auf, so lassen sich Animationen erstellen, bei denen sich geometrische Objekte auf geradlinigen Bahnen bewegen. In POV-Ray setzt man dazu clock anstelle von t ein. Durch

sphere { <x0, y0, z0> + clock * < ax, ay, az> r }

lässt sich somit die Bewegung einer Kugel mit dem Radius r auf einer geradlinigen Bahn animieren.

Beispielanimation als Video betrachten Zugehörige POV-Ray-Datei herunterladen
Um mit POV-Ray Animationen zu erstellen, sind einige technische Fragen zu beachten. Diese sind beschrieben in der Kurzanleitung: Mit POV-Ray Videos erstellen.

Die Geschwindigkeit

Bei Animationen erhalten Parameterdarstellungen einen Aspekt, der die geometrische Gestalt der durch sie beschriebenen Objekte nicht beeinflusst, nämlich die Geschwindigkeit von Bewegungen. So beschreiben z.B. die beiden Parameterdarstellungen

dieselbe Halbgerade. Werden damit Animationen erzeugt, so ergibt a) eine gleichförmige und b) eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung. In der obigen Abbildung ist dies durch die Abstände der Punkte erkennbar; zwischen zwei benachbarten Punkten verstreicht jeweils gleich viel Zeit.


Animation einer zusammengesetzten Bewegung: Der schräge Wurf

Der schräge Wurf ist eine aus einer gleichförmigen (Wurf-) und einer gleichmäßig beschleunigten (Fall-) Bewegung zusammengesetzte Bewegung. Als Summe einer in t linearen Komponente und des mit t2 multiplizierten Beschleunigungsvektors ergibt sich die Gleichung des schrägen Wurfes (welche die Wurfparabel beschreibt):


- Ortsvektor des Abwurfpunktes
- Vektor der Anfangsgeschwindigkeit
- Erdbeschleunigungsvektor


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Animationen auf Kreisbahnen und daraus abgeleiteten Kurven

Um Objekte auf Kreisbahnen zu bewegen oder einen "Kamerarundflug" über einer Szene zu erzeugen, müssen Kreise durch Parameterdarstellungen beschrieben werden. Dazu erinnern wir uns daran, wie die Sinus- und die Kosinusfunktion am Einheitskreis eingeführt werden (siehe die Abbildung rechts):

Damit lassen sich die Punkte eines Kreises mit dem Radius r und dem Mittelpunkt im Koordinatenursprung durch folgende Parameterdarstellung beschreiben:

Sollen sich Objekte auf einer Kreisbahn bewegen, so ist durch einen Zeitparameter t (in POV-Ray clock) auszudrücken. Sollen mehrere Werte animiert werden, ist es günstig, diesen Parameter von 0 bis 1 laufen zu lassen. Dies erreicht man durch .
Damit und durch Hinzunahme einer dritten Koordinate (die konstant gehalten wird) erhält man die folgende Parameterdarstellung für einen Kreis in der x-z-Ebene des Raumes:

In POV-Ray lässt sich mithilfe dieser Parameterdarstellung z.B. eine Kugel mit dem Radius 1 auf einer Kreisbahn mit dem Radius 10 bewegen:


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Kameraanimationen

Oft sollen Animationen erstellt werden, bei denen sich Kameras auf Kurven bewegen und damit die Sicht auf Szenen verändert wird. Wir beginnen mit einer Kamerafahrt auf einer kreisförmigen Bahn.

Unter Benutzung der oben angegebenen Parameterdarstellung des Kreises (mit dem Radius 20 und einer "Höhe" y(t)=10 über der x-z-Ebene) lässt sich in POV-Ray eine Kameraanimation auf der entsprechenden Kreisbahn erzeugen:


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Variationen der Parameterdarstellungen von Kreisen: Spiralen und Schraubenlinien

Die Archimedische Spirale

Verringert man in der Parameterdarstellung eines Kreises während einer Animation allmählich den Radius von einem Anfangsradius r auf 0 (durch Multiplikation des Radius mit 1-t), so erhält man eine archimedische Spirale. In der x-z-Ebene lässt sich diese durch folgende Parameterdarstellung beschreiben:


Video: Bewegung einer Kugel auf einer Archimedischen Spirale

Durch eine Kameraanimation auf einer archimedischen Spirale lässt sich erreichen, dass die Kamera um eine Szene kreist und sich dieser gleichzeitig annähert. Spiralen eignen sich auch gut für Animationen der Zielpunkte von Scheinwerfern, die sich dadurch kreisend von außen dem "Bühnenzentrum" nähern können.

"Kamerafahrt" auf einer Arch. Spirale


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Animation der Zielpunkte dreier
Scheinwerfer auf Spiralen


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Die Schraubenlinie (Helix, zylindrische Spirale)

Ersetzt man in der Parameterdarstellung des Kreises die konstant gehaltene Koordinate y durch eine lineare Funktion des Parameters t (bzw. der Zeit clock), so erhält man eine Kurve, die dem Gewinde einer Schraube ähnlich ist.

Da (statt in der Parameterdarstellung des Kreises ) bei eingesetzt wurde, hat die Schraubenlinie 2 "Windungen" (der "überstrichene" Winkel beträgt , also 720°).


Video: Bewegung einer Kugel auf einer Schraubenlinie

Die Konische Spirale

Kombiniert man die Änderungen an der Parameterdarstellung des Kreises, die zur Archimedischen Spirale und zur Schraubenlinie geführt haben, so erhält man eine spiralförmige Kurve, die sich auf einem Kegel entlang windet: eine konische Spirale mit der Parameterdarstellung:

Während der Parameter t (bzw. die Zeit clock) von 0 bis 1 wächst, verringert sich der Abstand der Punkte der Kurve von der y-Achse von r auf 0. Gleichzeitig steigt die Höhe y von 0 auf h.

Konische Spiralen eignen sich besonders gut als Bewegungsbahnen für Kameraanimationen, da die Kamera um eine Szene "kreist" und sich dabei gleichzeitig sowohl die Höhe, aus der die Szene betrachtet wird, als auch der Abstand von der Szene verändert.

Gegenüber der oben angegebenen Parameterdarstellung wurde für die hier zu betrachtende Kameraanimation statt eingesetzt, wodurch sich die Kamera von oben auf die um den Koordinatenursprung gruppierte Szene zubewegt.


Video: Bewegung einer Kugel auf einer konischen Spirale



Video: "Kamerafahrt" auf einer konischen Spirale

Zeitabhängige geometrische Transformationen

Die Verwendung eines Zeitparameters in Parameterdarstellungen ist nicht die einzige Möglichkeit, Animationen zu generieren. Auch geometrische Transformationen (z.B. Verschiebungen, Drehungen und Streckungen) können animiert, also zeitabhängig verändert werden. Wichtig ist dabei oft die Reihenfolge, in der Transformationen ausgeführt werden und die richtige Synchronisation verschiedener Bewegungen.

Möchte man die Drehung der Erde um sich selbst, des Mondes um die Erde sowie des Mondes um sich selbst simulieren, so ist darauf zu achten, dass (bei im Koordinatenursprung befindlichem Mondmittelpunkt) zunächst eine Drehung (Drehung des Mondes um seine eigene Achse), danach eine Translation (Verschiebung) und schließlich erneut eine Drehung (Mondbewegung um die Erde) ausgeführt werden müssen.

In POV-Ray lässt sich die Erd- und Mondbewegung folgendermaßen nachbilden:

Der Abstand des Mondes von der Erde wurde nicht maßstabsgetreu berücksichtigt, da Erde und Mond dann kaum zu erkennen wären.


Video: Erde und Mond

Um eine Kugel auf einer Ebene entlang rollen zu lassen, sind eine Drehung und eine Translation zu kombinieren. Dabei müssen die Winkelgeschwindigkeit der Drehung und die Translationsgeschwindigkeit so synchronisiert werden, dass der in einer Zeiteinheit durch die Verschiebung zurückgelegte Weg gleich der Bogenlänge des durch den Drehwinkel beschriebenen Kreisbogens ist, auf dem die Kugel rollt.

In dem unten angegebenen Beispiel bewegt sich die Kugel durch Translation in einer Zeiteinheit um 6 Längeneinheiten und dreht sich um den Winkel
.
Dem entspricht eine Bogenlänge von
,
da der Radius der Kugel 0,5 beträgt.

Die unterschiedlichen Vorzeichen sind notwendig, da sich Punkte der Kugeloberfläche, wenn sie beim Rollen den "Boden" berühren, aus Sicht der Kugel entgegengesetzt zur Rollrichtung bewegen.


Video: Rollende Kugel

Andreas Filler, 2007