Mitteilungsblatt des Vereins der Freunde und Förderer des Nationalparkes Jasmund e.V.
Nr.5 Dezember 1993
Spinnen - sie sind ganz anders
Spinnefeind,
pfui Spinne -das sind nur zwei Worte aus der Palette der Ausdrücke,
die belegen, welches Verhältnis der Mensch zu diesen Tieren hat.
Und diese Negativbeziehung, geprägt aus Ekel, Angst und Unwissen, erfreut sich einer ständigen Weitervererbung und führt dazu, daß diese Tiere nur aus der Fliegenklatschen - Perspektive betrachtet werden. Diese Mißachtung verdienen sie eigentlich gar nicht.
Die Spinnen (Ordnung Araneae) gehören zusammen mit den Skorpionen, den Walzenspinnen, den Milben, den Weberknechten und den Pseudoskorpionen zu den Spinnentieren, die weltweit mit etwa 40.000 Arten, nach den Insekten, zur artenreichsten Gruppe der Gliedertiere gehören. Allein in Deutschland kennt man etwa 3.000 Arten von Spinnentieren, wovon etwa 1.000 auf die Webespinnen entfallen, zu denen nachfolgend ein paar Gedanken geäußert werden sollen.
Spinnen unterscheiden sich von allen anderen Spinnentieren durch den ungegliederten, vom Vorderkörper abgeschnürten Hinterleib und 3 Paar Spinnwarzen. Die heimischen Spinnenarten haben zumeist 8, seltener 6 Augen, die im allgemeinen wenig leistungsfähig sind. Es gibt aber auch Spinnen, die sich vorwiegend optisch orientieren. Zu ihnen gehören fast alle freijagenden Spinnen, wie die Springspinnen, die Wolfsspinnen, die Raub- und die Krabbenspinnen.
Wenngleich sich Spinnen auch fast alle Lebensräume (außer den Meeren und fließenden Gewässern) erobert haben, so ist es keineswegs so, daß man jede Spinne an jedem Ort antreffen kann. Auch sie sind, wie viele andere Tiere, an bestimmte Biotope gebunden, bevorzugen bestimmte Pflanzen, bauen ihre Netze nur in einer bestimmten Höhe über dem Erdboden oder sind auf besondere Beute fixiert.
Schon im Heft 4 des Fördervereins wurde auf die Bedeutung des Biotopschutzes als Grundlage für den Artenschutz hingewiesen. In der Bundesartenschutzverordnung sind sechs Spinnenarten aufgeführt, die als besonders gefährdet und schutzwürdig angesehen werden. Zumindest zwei davon. die Wasserspinne (Argyroneta aquatica) und die Wolfsspinne (Arctosa cinerea) kommen sicher im Gebiet oder Umfeld des Nationalparkes vor.
Letztere gehört mit etwa 15 mm Körperlänge zu den größten heimischen Wolfsspinnen. Mit ihrer kontrastreichen Hell -Dunkelzeichnung ist sie in ihrem Lebensraum, dem sandigen bis grobsteinigen Ostseestrand, in Ruhestellung kaum auszumachen. Nur bei Beutesuche oder bei Gefahr sieht man sie schnell über den Strand huschen oder sich zwischen den Steinen verstecken. Mit dem Schutz der Blockstrande hat das Landesnaturschutzgesetz einem Verbau dieser Biotope einen Riegel vorgeschoben. Hoffentlich groß genug, um dieser großen und schönen Spinnenart ein Überleben zu garantieren.
Nicht
am, sondern zeitlebens im Wasser lebt die einzige europäische Wasserspinne.
Ihr Lebensraum sind stehende, pflanzenreiche Gewässer. Durch, Verunreinigung
und Eutrophierung der Gewässer ist ihre Existenz bedroht. Zwischen
Wasserpflanzen webt sie unter Wasser eine Gespinstglocke, in die sie Luft
eintragt (Abbildung), indem sie die Spitze des Hinterleibes und die
überkreuzten Hinterbeine aus dem Wasser streckt und mittels dieser "8"
eine Luftblase unter Wasser zieht und in der Glocke abstreift. In dieser
Luftglocke finden alle wichtigen Lebensfunktionen, wie Nahrungsaufnahme,
Häutung, Paarung, Eiablage und Aufzucht der Jungen statt.
Noch Mitte bis Ende Dezember sieht man hauptsächlich an glatten
Buchenstämmen ein Tier laufen, das sich bei näherem Hinsehen als
eine Spinne mit etwa 4 mm Körperlänge entpuppt. Der blaßgelbe
Vorderkörper beträgt ein deutliches Y-Zeichen. Erst seit 1961 ist
bekannt, daß diese Spinnen - sie gehören zu den Baldachinspinnen
- nicht frei jagen, sondern an den Buchenstämmen ein dünnes Gespinst
auslegen, deren Berührung die Spinne alarmiert. Ihre Verwandten
überziehen im Herbst Heidekraut und niedere Bodenvegetation mit waagerechten
Netzen, unter denen sie auf Beute lauern. Diese Spinne (Drapetisca socialis)
kommt an den entsprechenden Bäumen recht häufig vor, was auch der
Artname berücksichtigt. Sie kann zweifelsohne - auch wenn sie nicht
unter Schutz gestellt ist als Spezialist angesehen werden. Die wohl bekannteste
Spinne ist die Gartenkreuzspinne. In ihr in etwa 1.5 bis 2 Meter Höhe
angelegtes Netz ist schon so mancher Pilzsammler gelaufen. Der dicke Hinterleib
der Weibchen und die Kreuz-Zeichnung sind das Charakteristikum der Kreuz-
oder Radnetzspinnen. Während die Gartenkreuzspinne in fast allen
Lebensräumen zu finden ist, sind die ähnlich großen Vierfleck
-Kreuzspinnen oder die Schilfradspinnen nur auf Feuchtwiesen und an Wasserstellen
zu finden. In Verstecken lauernd, warten sie darauf, daß sich in ihrem
großen, zwischen Gras und Schilf gesponnenen Radnetz, Beute
verfängt.
Wer einmal beobachtet hat, mit welcher Hingabe die Raubspinne Pisaura mirabilis den großen Eikokon über Stock und Stein mit sich trägt, um ihn dann vor dem Schlüpfen der Jungen in einem Gespinst aufzuhängen und die Kinderstube zu bewachen, wer sieht, wie die Wolfsspinne die Jungen auf dem Rücken sitzend mit sich herumträgt oder den Horror überwindet und eine Springspinne per Vergrößerungsglas von Auge zu Auge betrachtet und ihr Verhalten beobachtet, das sich so leicht vermenschlichen läßt, der wird, vielleicht anfangs noch widerwillig, zustimmen:
Spinnen sind ganz anders !
Manfred Kutscher
Hinweise, Kommentare und Vorschläge bitte
an
teschke@mathematik.hu-berlin.de
Letzte Änderung: 27.07.1998