Unsere Aufmerksamkeit wurde auf die
wundersam einfache Konstruktion der Planimeter gelenkt, da
sie eine schöne Anwendung des Stoke'schen Integralsatzes
darstellt. Noch vor einem Jahrzehnt sicherlich ein unverzichtbares
Hilfsmittel in Geographie und Ingenieurswissenschaften, dürften
diese teils ausgeklügelten Geräte vom Austerben bedroht sein
und alsbald in Vitrinen verstauben. Dennoch haben wir einiges bei der
Beschäftigung mit diesen geometrischen 'Analogrechnern' aus
der prädigitalen Urzeit gelernt:
[Planimeter.pdf]
Besonders empfehlenswert ist die Internetseite von
[Robert
l. Foote]. Der Beweis der isoperimetrischen Ungleichung
mithilfe der Planimeter und ihre Holonomietheoretische Behandlung sind
dabei bei weitem nicht offensichtlich. Beim Nachbau eines Planimeters
sind wir vom gängigen Konstruktionsprinzip eines teils rollenden,
teils gleitenden Rades (siehe obige Abbildungen aus F.Murray:
Mathematical Machines, Vol.2, Analog
Devices) abgewichen und haben eine rollende Kugel
dazwischen geschaltet. Dieses mechanische System ist holonom und
eignet sich ausserdem zur Veranschaulichung der Parallelverschiebung
auf der Sphäre.
Geodäten:
Geodäten verallgemeinern den Begriff der Geraden in der
Euklidischen Geometrie auf gekrümmte Räume. Für
Flächen gibt es viele Möglichkeiten, die
Geodäten physikalisch zu interpretieren und zu
realisieren: als
kürzeste Verbindungen
zweier Punkte lassen sie sich mit Hilfe eines Gummibands darstellen.
Als die am
wenigsten
gekrümmten Kurven werden sie durch einen Stab
verkörpert, der zwischen zwei Kopien der Fläche eingeklemmt
ist und als die
frontalsten
Kurven treten sie in Erscheinung als Linien senkrecht zu einer
Wellenfront, bzw. als Weg eines 2-rädrigen Wagens, dessen
Räder mit einer starren Achse infinitesimaler Breite verbunden
sind. All diese Phänomene geben uns Möglichkeiten an die
Hand, physikalisch "gerade" Weg in einer Fläche zu finden, wobei
es durchaus erstaunlich ist, dass all diese Phänomene auf
denselben Begriff der Geodäte führen:
Parallelverschiebung:
Folgen wir nun beliebigen, also nicht notwendig geradlinigen Wegen in
der Ebene, können wir uns trotzdem "merken", welches die
ursprüngliche Richtung war, in die wir geschaut
haben. Wir wollen sozusagen eine Art
Kompass mit uns
führen, der die Abweichung vom geraden Weg anzeigt. Geometrisch
machen wir dabei nichts anderes als die Anfangsrichtung parallel zu
verschieben. Auch auf gekrümmten Flächen kann man den Begriff
des
Parallelverschiebens einführen und wir suchen, wie im Fall
der Geodäten, nach einer intuitiv verständlichen,
physikalischen Interpretation. Z.B. kann man den oben
erwähnten 2-rädrigen Wagen so abändern, dass man mit ihm
auch längs Kurven fahren kann, ein auf ihm montierter Zeiger aber
stets die parallelverschobene Richtung anzeigt. Eine solche
Zahnradkonstruktion war
vermutlich schon dem chinesischen Kaiser Huang-Di vor mehr als 5000
Jahren bekannt. Ein schöner Aufsatz hierzu ist von
Prof.D.-E.Liebscher: "
Mit dem
Kompasswagen über den Globus".
In dieser technischen Form wird uns die Paralleverschiebung allerdings
niemals in der Natur in Erscheinung treten.
Foucault'sches Pendel und
ein ähnliches Rad:
Auf
der Suche nach einer direkten physikalischen Entsprechung
für
den Paralleltransport stößt man auf das Foucault'sche
Pendel, mit dem 1851 der Nachweis gelang, dass sich die Erde dreht. Aus
physikalischer Sicht
zeugt die Drehung der Schwingungsebene des Pendels
nämlich davon, dass das mit der Erde festverbundene Bezugssystem
selbst rotiert, also kein Inertialsystem darstellt. Daher treten
scheinbar weitere Kräfte auf - hier die Coriolis-Kraft - die das
dynamische Verhalten des Pendels aus Sicht eines mit der Erde
mitrotierenden Beobachters erklären helfen.
Ein anderes Licht wirft die geometrische Sicht auf das Foucault'sche
Pendel: es stellt sich nämlich heraus, dass
seine
Schwingungsebene
parallelverschoben
ist entlang der Kurve, die der Aufhängungspunkt des
Pendels durch die Erdrotation beschreibt - also entlang eines
Breitenkreises. Diesen Effekt möchten wir ausnutzen, um
Parallelverschiebung auf beliebigen Flächen zu veranschaulichen.
Dazu ersetzen wir die Gravitation, die das Foucault'sche Pendelt
veranlasst horizontal zu schwingen, durch eine Zwangskraft, die unserem
Modelle nur Drehung in der momentanen
Tangentialebene an die Fläche gestattet. Als
Beispiel denke man an ein Rad, das auf der Fläche
entlang einer beliebigen Kurve bewegt wird, so dass seine Achse stets
senkrecht auf der Fläche steht. Dieses
mechanische System beschreibt bei geeigneter Anfangsbedingung exakt den
Paralleltransport. Diese Ergebniss hat mich veranlasst, eine ausführliche
Darstellung der Dynamik starrer
Körper aus geometrischer Sicht aufzuschreiben: [Starrerkoerper.pdf].
Unteranderen wird auch die Funktionasweise des Gyrotwisters erklärt
Krümmung und Holonomie:
Der
Paralleltransport
entlang geschlossener Kurven führt
auf zwei wesentliche Begriffe der Differentialgeometrie: Infinitesimal
(d.h. für immer kleiner werdende Schleifen) erhält man die Krümmung, während die
Transformationen, die durch Paralleltransport entlang beliebiger
Schleifen entstehen, die Holonomiegruppe
bilden. Daher ist es also im Prinzip möglich, mit obigen
Modell die Krümmung und Holonomie einer Fläche experimentel
zu bestimmen. Viel wichtiger aber noch erscheint uns die Bemerkung,
dass mittels dieses Zugangs auch der Krümmungsbegriff
höherdimensionaler Räume plausibel gemacht werden kann.